Gemeinsam Bayerns Natur schützen

91 an der Zahl

Bericht von Sonja Seidl / Chamer Zeitung

Am Venus-Hof schwurbelt’s. Hunderte Mehlschwalben ziehen dort ihre Bahnen, angelandet wird direkt unterm Dachvorsprung der Lagerhalle. Dort herrscht ein regelrechter Bauboom. Die Familie hat nachgezählt, das Ergebnis klingt rekordverdächtig: 91 Schwalbennester sind es. Ein Nest sei vor kurzem runtergekracht, berichtet Michaela Venus. Nicht zum ersten Mal. Erst vor ein paar Wochen hat man mit dem Stapler Jungtiere aus dem herabgefallenen Nest auf die anderen verteilt. „Die Bauqualität ist manchmal schlecht“, sorgt sich Josef Venus.

 

 

Man merkt es schon: Die Familie ist stolz auf ihre Bewohner. Vögel sind auf dem Venus-Hof gerngesehen. Auch Rauchschwalben, Spatzen und Amseln leben hier – sehr zur Freude von LBV-Kreisgruppenvorsitzendem Karl-Heinz Schindlatz und Markus Schmidberger, Leiter des LBV-Zentrums. Die beiden statten einen Besuch ab, um die 91 Nester zu begutachten. Im Gepäck haben sie ein kleines Schild, mit dem auf die Schwalbenkolonie hingewiesen wird. „Bislang ist das die größte im Landkreis“, berichtet Schmidberger beeindruckt.

Kundschaft, die Kartoffeln abholt, bewundert das Schwalbentreiben – auch wenn ihr Auto ein paar graue Sprenkel abbekommt. Sprenkel zieren auch den Putz und die Garagentore, am Boden liegen Hinterlassenschaften. „Jeden zweiten Tag räumen wir den Mist weg“, sagt Michaela Venus. Genervt klingt sie dabei nicht. Das ist aber nicht bei allen so, die mehr oder weniger freiwillig zum Standort für Schwalbennester auserkoren werden. „Früher hieß es, Schwalben bringen Glück, heute stören sich viele am Dreck“, weiß Markus Schmidberger. Manche bringen Bretter an, damit der Kot nicht nach unten fällt. Auch am Venus-Hof befindet sich ein Brett über dem offenen Garagentor. Nur: Die Schwalben bauen dort nicht mehr. „Vielleicht haben sie Angst, dass der Marder hochkommt“, rätselt Josef Venus’ Mutter Maria. Oder das Brett hängt zu hoch für die Flugparabel. „Das ist hier aber nicht der Fall“, sagt Schmidberger.

Andere Hausbesitzer wollen die tierischen Bewohner ganz loshaben und stoßen die Nester runter. Schwalben haben es nicht leicht. Auch weil sie immer weniger Nahrung finden und Pfützen, aus denen sie ihr Baumaterial bekommen. „Auf Silowiesen, die fünfmal im Jahr gemäht werden, gibt es kaum Insekten, und in Pfützen auf geteerten oder geschotterten Wegen kaum Erde und Lehm“, erklärt Schmidberger. Ihre Nester bestehen aus bis zu 3000 kleinen Klümpchen. Sie bauen sogar eine Bindung auf und kehren nach dem Winter in ihr selbst gemachtes Nest zurück. Sofern es noch hängt.

Josef Venus stellt im Frühjahr immer einen Behälter mit Wasser und nebenan etwas Stroh auf. Seine Schwalben holen sich dort Material. Eigentlich kein Wunder, dass es den Schwalben hier gefällt. Außerdem hat er reichlich Stallfliegen – ein gefundenes Fressen. „Wenn’s uns mal nimmer gibt, gibt’s auch keine Vögel mehr“, sagt seine Frau. Auch Schmidberger bestätigt: Gerade für die Rauchschwalben sei das Höfesterben richtig dramatisch.

Anfang der 90er entstand besagte Lagerhalle, genauso lange nisten dort schon Schwalben. Und es werden kontinuierlich mehr. Viele Jahre lang zählte man 64, „heuer sind es brutal viele geworden“, so Josef Venus. „Wenn die Schwalben kommen, dann pressiert’s“, ergänzt Michaela Venus. Teilweise werden sogar Nester unter andere Nester gebaut. Im Mai kommen die ersten Jungen. Am Hofbetrieb stören sich die Tiere nicht, selbst wenn der haushohe Vollernter direkt daruntersteht.

Derzeit machen vor allem die Jungtiere Flugübungen. „Abends ist es immer ganz schwarz am Himmel“, berichtet Josef Venus. Er sitzt nach getaner Arbeit im Haus und sieht vom Fenster aus zu. Bald geht es für die Schwalben in Richtung Süden. Gegen Mariä Geburt, 8. September, brechen sie auf. „Dann wird’s plötzlich stad“, sagt Josef Venus. Und die Familie Venus macht sich daran, ihre Tore abzuwaschen.